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ANDREAS DRESEN andreas dresen

Georgien! Für jemanden, der aus der ehemaligen DDR kommt, ist das ein wahres Paradies. Man konnte dort wundervoll Urlaub machen. Mit Beziehungen oder Geld.
Es war ein Land, zu dem die Träume reisten.
Jetzt schreiben wir das Jahr 2003 und ich fliege zum ersten mal nach Tbilissi. Ich komme aus Tokio, von einem anderen Festival. Was für ein Kontrast!... Nach meiner Einführung zum Film "Halbe Treppe" fällt der Strom aus. Ich stehe im Dunkeln auf der Bühne und weiß nicht so recht, wie ich runterkomme. Die Zuschauer helfen schließlich mit Feuerzeugen. Dann warten alle geduldig vor dem Saal. So etwas passiert öfter, man ist daran gewöhnt. Es wird ein Aggregat besorgt und der Film schließlich doch noch gezeigt. Ein totaler Stromausfall kommt darin vor. In Deutschland! Wie tröstlich... Eine Demonstration im Stadtzentrum. Man ist unzufrieden mit der Regierung und die Herzen machen sich Luft. Vieles erinnert mich an den Umbruch in der DDR. Um ein Haar verpasse ich die Pressekonferenz, zu der schließlich drei Journalisten erscheinen... Ich möchte so gerne die Filmstudios sehen, denn es gab georgische Filme, die für mich sehr wichtig waren, von Iosseliani, von Schengelaja. Zum Beispiel. Wir laufen durch ein fast totes Gelände, wo nicht mehr gearbeitet wird. Im Kopierwerk warten ein paar Frauen trotzdem noch auf belichtetes Material zum Entwickeln. Früher gab es hier sogar einen eigenen Zoo, mit Tieren, die für Filmproduktionen benötigt wurden. Jetzt ist ein einzelner Bär übrig geblieben. Er sitzt traurig und zerzaust in seinem verrotteten Gehege. Und tut mir leid... In einer Kneipe setze ich mich mit der Dolmetscherin zu zwei Männern an einen Tisch. Sie registrieren den Fremden und bestellen gleich mal eine neue Flasche Wodka. Trinksprüche. Die zweite Flasche. Wieder Trinksprüche. Nicht einfach Prost sondern Gedanken über Freundschaft, Liebe, Leben. Saufen mit Poesie sozusagen. Mein Einwand, ich müsste gleich einen Film dem Publikum vorstellen, gilt nicht. Später stehe ich schwankend vor den Zuschauern. Mir bleibt nichts weiter übrig, als den Fehler zum Programm zu machen und ich erzähle die Geschichte vom disziplinierten Deutschen, der nie vor Auftritten trinkt und dann nach Georgien reist... Georgien. Immer noch ein Land, zu dem die Träume reisen.

Andreas Dresen, geboren 1963, ist Regisseur und Autor. Ab 1979 erste Amateurfilme. Nach dem Studium an der Filmhochschule Babelsberg seit 1992 als Drehbuchautor, Film- und Theaterregisseur tätig. Seit 1998 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin. Seine Filme erhielten zahlreiche Auszeichnungen. "Nachtgestalten" (1999) erhielt u.a. den Deutschen Filmpreis in Silber, "Die Polizistin" (2000) den Grimme Preis in Gold. "Halbe Treppe" (2002) wurde mit dem Silberner Bär der Berlinale ausgezeichnet und erhielt Regiepreise auf den Festivals in Gent und Chicago. "Sommer vorm Balkon" (2005) war sein bisher größter Publikumserfolg. Dresen inszenierte 2006 seine erste Oper (Don Giovanni/Theater Basel). Er wurde 2003 mit einer Retrospektive seiner Filme zu den Deutschen Filmtagen nach Tbilissi eingeladen. Während des Aufenthalts entstand die Fotoserie der georgischen Hauptstadt.