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KINO IN GEORGIEN
filmreihe

Wo beginnen, wo aufhören, wenn man von dem georgischen Kino, sei-ner Tradition und seinen Werken sprechen will? Unverwechselbar ist dieses Kino, poetisch, mutig, phantastisch, traditionsbewusst und doch ge-genwartsnah, es hat eine alte Geschichte, die in die Stummfilmzeit zurückreicht, es hat große Persönlichkeiten, Schöpferfiguren und Werke, die Meilensteine waren wie Kalatosows "Das Salz Swanetiens" (1930) – dieser Film zum Beispiel hat schon früh das Bild des Landes für uns geformt und gleichzeitig den Horizont einer neuen Kinematographie eröffnet. Dann ist da"Elisso" (1928) von Nikolos Schengelaja, dem Urvater der Schengelaja-Familie, die den georgischen Film mehr geprägt hat als jede andere. Manche georgischen Filme aus der Frühzeit wurden wiederentdeckt, wie Kote Mikaberidses "Meine Grossmutter" von 1929, eine funkensprühende Satire.

1975 zeigten die Freunde der Deutschen Kinemathek im alten Arsenal Kino zum ersten Mal eine georgische Filmwoche, wir hatten sie den Funktionären des sowjetischen Films, die über Veranstaltungen im Ausland zu befinden hatten, buchstäblich abgerungen. Damals zeigten wir zehn Filme von Iosseliani, Abuladse, den drei Schengelajas, Lana Gogoberidse und Merab Kokotschaschwili. Es war ein grossartiges Programm, obwohl sich die Tür zum georgischen Film für uns gerade erst geöffnet hatte. Kokotschaschwili besuchte uns in Berlin und stellte seinen Film "Ein grosses grünes Tal" (1967) vor. Das Heft, das wir damals publizierten, lässt sich heute noch sehen. Darin ein Aufsatz von Viktor Schklowski über die georgische Filmkunst mit dem Satz: Der Wert des georgischen Volkes besteht darin, dass es wie ein Wald ist, in dem Bäume, Unterholz, Gräser und Vögel im Chor singen – eine Beschreibung, die sich auf den georgischen Film sehr gut übertragen lässt.

Von damals datiert unsere enge Beziehung zum georgischen Kino und unsere Freundschaft mit vielen seiner Regisseure. Zu Otar Iosseliani, der als Gast des DAAD in Berlin lebte und dessen wunderbare und brillante späteren Filme, obgleich in Frankreich entstanden, voll georgischer Eigenarten sind (wie gern erinnern wir uns an "Pastorale" (1975/76) und "Es war einmal eine Singdrossel" (1970) mit Gela Kandelaki, der die Hauptrolle des überforderten jungen Musikers spielt und später eigene Filme drehte).

Unvergesslich die Filme der Schengelajas, unübertroffen in ihrem bizarren Humor, ihrem satirischen Scharfblick und ihrer Poetik. Georgi Schengelajas "Pirosmani" (1969) wurde fast zu unserem Lieblingsfilm und zu einem der meistverlangten Filme in unserem Verleih, so dass wir eine zweite Kopie bestellen mussten (dazu verhalf uns Sergio Gambaroff, der verdienstvolle Inhaber von Pegasus Film in Berlin). Und nun, auf unseren Erkundungen und Such-Expeditionen nach neuen Filmen für das Forum der Berlinale, richteten wir immer wieder unseren Blick nach Georgien. Misstrauisch sagte man uns in Moskau: Warum müssen sowjetische Filme denn immer aus Georgien kommen? Ja, es waren nun mal die besten, daran bestand kein Zweifel. Wir fanden grossartige Werke, die uns und die Zuschauer begeisterten: "Blaue Berge" (Eldar Schengelaja, 1983/84), "Der Baum der Wünsche" (Tengis Abuladse, 1977), Kandelakis "Das Unglück" (1979) und Dato Dshanelidzes "Leuchtkäferchen" (1985), Alexander Rechwiaschwilis "Die Stufe" (1986), um nur einige wenige Titel zu nennen.

Einen eigenen Text müsste man über Sergej Paradschanow schreiben, dessen genialer Film "Sajat Nova" auch: "Die Farbe des Granatapfels", (1969) von Armenfilm produziert wurde und den man eher dem armenischen Kulturkreis zuordnen kann, obwohl er auch Filme in Georgien drehte, so "Die Legende der Festung Surami" (1985), und lange Zeit in Tbilissi lebte, wo es auch ein Denkmal für ihn gibt.
Und noch eine andere Eigenschaft der georgischen Filme muss man nennen: das ist ihr Mut, politische Tabus zu unterlaufen, große meta-phorische Fabeln zu entwickeln und auf persönliche Weise von den brennendsten politischen und geschichtlichen Fragen zu sprechen. Hier möchte ich Filme von Lana Gogoberidse erwähnen (Einige Interviews zu persönlichen Fragen, (1978) und "Der Walzer auf der Petschora", (1992), Irakli Kwirikadses "Der Schwimmer" (1980) und natürlich Abuladses grossartige Abrechnung mit dem Stalin-Regime, "Die Reue" (1984). Hier wurde schon, in einer manchmal metaphorischen, dann wieder autobiographischen Manier die ganze Wahrheit über ein Kapitel Zeitgeschichte ausgesprochen, das mit dem Zerfall der Sowjetunion sein Ende fand.

In den neunziger Jahren spiegelten die georgischen Filme ein anderes Bild, sie zeigten ein Land, das nach einer neuen Orientierung sucht. Es waren Regisseure wie Dito Tsinsadze, Nana Djordjadze, Lewan Glonti, Aleko Zabadse, Sasa Chalwaschi, Levan Zakareishvili (leider im vergangenen Herbst verstorben) und Nino Kirtadze, die nunmehr das georgische Kino vertraten und vertreten. Wir hoffen, dass ihre Arbeit trotz aller existentiellen Schwierigkeiten eine Fortsetzung finden wird, nicht nur im Ausland, sondern auch in Georgien selbst. Dazu gehört allerdings auch die Rekonstruktion der georgischen Kinolandschaft. Es gibt einige Anzeichen für eine Wiedergeburt des georgischen Films, neue Initiativen, auch einige neue Filme; zu erwähnen ist das ambitionierte Filmfestival in Tbilissi und der neue Aufschwung des Nationalen Georgischen Filmzentrums.

Wir wollen mit unseren Mitteln die georgische Filmtradition pflegen, die Meisterwerke wieder auf die Leinwand bringen und die neuen Initiativen des georgischen Films nach Kräften unterstützen.

Ulrich Gregor.





FILMREIHE KÖLN / FILMFORUM NRW / 21.03-26.03.2007


OTAR IOSSELIANI

BRIGANTEN
BRIGANDS, CHAPITRE VII

Venedig 1996, Großer Spezialpreis der Jury
Fr / Geo / CH / Ruß / 1996 / Farbe / 118min

ioseliani


Die Zeiten vergehen, die Menschen verändern sich nicht. Im Mittelalter kämpft der König mit übermächtigen Feinden von Außen, die sein kleines Ländchen ständig bedrohen und mit untreuen Dienern im Inneren. Sogar seine Frau schafft es, ihm trotz gut angelegten Keuschheitsgürtels untreu zu werden. Sie wird geköpft und der Liebhaber ins Burgverließ geworfen. Das dort benutzte Folterbuch taucht hunderte Jahre später bei einem Politkommissar auf, im kleinen Land "hinter dem eisernen Vorhang". Der Kommissar wiederum wird vom eigenen Sohn denunziert. Auch die Befreiung vom kommunistischen Regime bringt dem Land keinen Frieden, sondern einen  sinnlosern Bürgerkrieg, in dem jeder gegen jeden kämpft, und der totale wirtschaftliche Niedergang die Menschen zwingt, aus dem Land zu fliehen. Der Taschendieb Wano und sein Saufkumpane gehen nach Paris, wo er weiter säuft, bettelt und zu einem kultivierten und charmanten Clochard wird. Auch die Mafiosi, die am Bürgerkrieg ein Vermögen verdient haben, ziehen ins schönen Paris und genießen das Leben in Hülle und Fülle, jedenfalls solange die minderjährige Tochter des Mafia-Bosses nicht mit einer MP in der Hand auftaucht. Iosseliani fächert  drei verschachtelte Erzählstränge meisterhaft ineinander, um zu zeigen, wie die Geschichte sich unentwegt wiederholt, nicht nur im kleinen Georgien, sondern überall in dieser Welt: In den höheren Sphären der Macht hat sich kaum etwas verändert:dieselben Personen sind in neuen Gewändern zurückgekehrt. So kamm ich auf die Idee, eine Komödie zu machen, in der die gleichen Personen in verschiedenen Epochen anzutreffen sind, um zu zeigen, dass alles, was sich uns heute darbietet, schon seitlangem existiert. (Otar Iosseliani)

Lasha Bakradse, Filmkritiker und Publizist, Tbilissi, Georgien

Otar Iosseliani wurde 1934 in Georgien geboren. Er studierte zunächst Musik am Konservatorium in Tbilissi. 1953 ging er nach Moskau und schloss ein Mathematikstudium ab. Danach studierte Iosseliani an Moskauer Filminstitut WGIK und startete dort seine Filmkarriere. 1958 entstand der erste Kurzfilm. Sein erster Spielfilm April (1961), ein witziger Film über die Konsumgesellschaft, wurde wegen „Formalismus“ aufs Regal gestellt. Iosseliani wandte sich von der Filmindustrie ab.1963 -1965 arbeitete er als Matrose und   Metallwerkarbeiter. Sein erster langer Spielfilm "Die Weinlesezeit" (1967)  wie sein zweiter "Es war einmal eine Singdrossel" (1970) und dritter Film "Ein Sommer auf dem Dorf" (1976) brachten ihm die Anerkennung, aber auch  die Missgunst der Machthaber. Seine künstlerische Arbeit in der Sowjetunion war kaum noch möglich. 1982 übersiedelte Otar Iosseliani nach Paris, wo er vorwiegend lebt und arbeitet. Zu seinem bekanntesten Filme zählen: "Les favorites de la lune" (1984); "La Chasse aux papillons" (1992); "Seule, Géorgie". TV-Dokumentation, Arte (1994); "Brigands, chapitre VII" (1996); "Adieu, plancher des vaches!" (1999); "Lundi matin", (2002); "Jardins en automne", (2006).


FRITZ PLEITGEN

DURCH DEN WILDEN KAUKASUS
ERSTER TEIL

D / 2000 / Farbe / 45 min
ARD / WDR

pleitgen
© WDR


Durch den Wilden Kaukasus – die Dreharbeiten:
Im Jahr 2000 war ich mit meinem Filmteam mehrere Wochen lang im Kaukasus unterwegs. Mein Ziel war es, diese Gebirgsregion in ihrer ganzen Vielschichtigkeit einem breiten Publikum in Deutschland zu vermitteln. Georgien haben wir dabei zwei Mal komplett durchquert.
Es war eine Rückkehr nach fast 30 Jahren, denn ich hatte 1971 als Moskauer ARD-Korrespondent von den Feiern zum 50-jährigen Jubiläum der Sowjetrepublik Georgien berichtet. Damals durfte man nur schöne Bilder drehen. Dieses Mal wollte ich den Kaukasus in seinen unterschiedlichen Facetten zeigen.
Von Abchasien bis Kachetien, vom Kasbegi an die armenische Grenze, Georgien hat jede Menge Geschichten zu erzählen. Dabei faszinierten mich nicht nur die georgischen Landschaften und die reiche Kultur. Es waren vor allem die Begegnungen mit den Menschen, die mich berührt haben, ob bei Mönchen im Kloster von David-Garedshi, bei Weinhändlern in Telawi oder bei Flüchtlingen am Inguri. Und obwohl einige meiner Gesprächspartner viel Leid in ihrem Leben ertragen hatten, merkte ich, mit welchem Stolz sie sich weiterhin dem Leben stellten. Als meine Gastgeber vermochten sie es immer wieder, aus kleinen Momenten ganz große zu machen. Rückblickend kann ich sagen, dass diese Dreharbeiten im Kaukasus für mich zu den einprägendsten Erlebnissen meiner journalistischen Laufbahn zählen.

Fritz Pleitgen, geboren 1938 in Duisburg, ist einer der bekanntesten deutschen Journalisten. 1963 kam er zum WDR nach Köln. Auf seine erste Station als Tagesschau-Reporter (1963—1970) folgten Etappen als Korrespondent der ARD in Moskau (1970—1977), als Leiter des ARD-Studios in Ost-Berlin (1977—1982) und als Chef des ARD-Studios in Washington (1982—1987) und New York (1987—1988). Seine Auslandsberichterstattung brachte Fritz Pleitgen den Beinamen Reporter des Kalten Krieges ein. 1988 wurde er Chefredakteur vom WDR Fernsehen. Außerdem moderierte er den Weltspiegel. Nach einem Jahr als WDR-Hörfunkdirektor (1994) wurde Fritz Pleitgen 1995 Intendant des WDR. 2006 wurde er zum Präsidenten der Europäischen Rundfunkunion EBU gewählt. Ende März 2007 beendet er seine Karriere beim WDR. Seine Reportage Durch den wilden Kaukasuseine eine literarisch-politische Reise auf den Spuren berühmter Reisender, Dichter und Schriftsteller, wurde als ARD-Zweiteiler realisiert und auch als Buch unter gleichem Namen veröffentlicht.


STEFAN TOLZ

AM RANDE DER ZEIT – MÄNNERWELTEN IM KAUKASUS

D / 2001 / Farbe / 90 min
Produktion:Applaus Film / SWR / WDR / MDR

stefan tolz
© Stefan Tolz


Der Kinodokumentarfilm AM RANDE DER ZEIT über Männerwelten im Kaukasus entstand zur Jahrtausendwende als innerer Wunsch sich mit der Definition des Zeitbegriffs auseinander zusetzen. Dadurch, dass ich mir für diesen Film vier kleine abgeschlossene Welten gesucht habe, in denen unserer westliches Prinzip vom „Zeit ist Geld“ überhaupt keine Rolle spielt, wollte ich in eine Traumwelt entführen, die gleichzeitig voll von Tragik und Wahrhaftigkeit ist. Mir war es vor allem wichtig, mit meinen Protagonisten Identifikationsfiguren zu schaffen, die die Zuschauer wichtige Elemente des Lebens im Kaukasus begreifen lässt und sie persönlich berührt. Denn in allen Geschichten geht es letztlich um die zwischenmenschliche Wärme, nach der wir alle unterwegs sind – unabhängig davon, in welcher Kultur oder Zeit wir zu leben glauben.

Stefan Tolz, geboren 1966, ist Autor, Regisseur und Produzent. Studium an der Filmhochschule München sowie verschiedene Studienaufenthalte in New York, Peking und Tbilissi. Stefan Tolz spricht fließend Georgisch und gilt als Kenner der Kaukasusregion. 1992 entstand sein Film "Das kaukasische Gastmahl". Im Jahr 2000 führte er Co-Regie bei dem ARD-Zweiteiler "Durch den wilden Kaukasus". 2001 drehte er seinen international ausgezeichneten Kinodokumentarfilm "Am Rande der Zeit".


DITO TSINTSADZE

DER MANN VON DER BOTSCHAFT

Locarno 2006, Goldener Leopard für Besten Hauptdarsteller
D / Geo / 2005 / 93 min
Produktion: Tatfilm GmbH (Köln)

dito tsintsadze
© Tatfilm Köln


Herbert Neumann (Burghart Klaußner) ist 45 und Angestellter der deutschen Botschaft in Tbilissi. Neumann führt freudlos sein monotones und von beruflicher Routine bestimmtes Leben in einer ihm völlig fremden Stadt. Auch seine schöne Kollegin, mit der er ab und zu seine Abende verbringt, kann ihm keine Freude machen. Seine Einsamkeit endet, als er eines Tages zufällig, auf einem Markt in Tbilissi das zwölfjährige Straßenmädchen Saschka kennen lernt. Es entwickelt sich eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem jungen Flüchtlingsmädchen und dem älteren Mann.

Dito Tsintsadze, geboren 1957 in Tbilissi. Studierte Regie bei Eldar Schengelaia und Otar Iosseliani am Theaterinstitut in Tbilissi. Bis 1989 arbeitete er als Regieassistent in dem georgischen Filmstudio "Kartuli Filmi". 1990 drehte er seinen ersten längeren Film, "Die Gäste" und arbeitete dann in der von ihm mitbegründeten  Filmproduktionsfirma  Schwidkaza. 1993 erhielt er für den Spielfilm "An der Grenze", der während des Bürgerkriegs in Georgien spielt, in Locarno den Silbernen Leoparden. Seit 1996 lebt und arbeitet Tsintsadze in Berlin. Für seinen ersten in Deutschland gedrehten Film "Lost Killers" (2000) erhielt er den Silbernen Alexander beim Thessaloniki Film Festival und den Hauptpreis beim Filmfestival Cottbus. Es folgten der Kurzfilm "An Erotic Tale" (2002) und "Schussangst"(2003),  der die Golden Muschel auf dem IFF San Sebastian erhielt.









FILMREIHE BERLIN / KINO ARSENAL / 20.10-22.10.2007
 



SERGEJ PARADSCHANOV

DIE LEGENDE DER FESTUNG SURAMI
AMBAWI SURAMIS ZIXISA

Rotterdam 1988, Regisseur der Zukunft
UDSSR / 1985 / Farbe / 87 min

parajanov
© Photo by Yuri Mechitov


In Sergej Paradschanows Film "Die Legende der Festung Surami" ist ganz zu Beginn ein Erdbeben dargestellt, das diese Festung erfasst. Der Legende zufolge kann die Festung nicht gebaut werden; sie stürzt immer wieder ein, bevor die Mauern Dachhöhe erreichen. Erst muss der schönste Jüngling sich selbst einmauern, damit die Festung fest wird. Was ist dies für eine Selbst-Einmauerung von Subjekten? Sie kann als  Anerkennungsprozess interpretiert werden: der Jüngling symbolisiert, indem er sich einmauern lässt, dass wir alle schon immer Eingemauerte –  im Sinne von Deleuze – Territorialisierte sind. Und indem dies liebend und selbstopfernd für die Allgemeinheit des Volkes repräsentiert ist, wird die Festung gegen den Übergriff des Fremden halten. Das Fremde ist aber auch das politisch Fremde, Unterdrückende. Und die Einmauerung damit auch ein sich-Isolieren, ein sich-Absichern.
Der Film wurde 1984/85 gedreht, nachdem Paradschanow von 1974 bis 1980 als politischer Gefangener im „Gulag“ eingesperrt war. Bilder dieser Art stammen aus der Dunkelheit, aus dem Mythos des Verzichts, dem sich-Entziehen, dem Schweigen, der Wortlosigkeit. Wie Irina Kurtishvili betont, handelt es sich bei diesem Film um ein Werk über „Ewiges“: Liebe, Kampf, Opfer, Buße. Es wird die schwierige, glückliche und unglückliche Geschichte Georgiens dargestellt, die nur möglich ist auf der Grundlage der selbstverständlichen Beziehung zwischen Liebe und Opfer. Dabei ergibt sich der Eindruck, dass die Bildhaftigkeit, die wie eine Abfolge von Gemälden wirkt, ein archaisches Element zeigt jenseits des Subjektivismus. Die Bilder sind „en face", ohne „subjektive Kamera“ gefilmt. Es geht um eine menschliche Ontologie der großen Schicksale, mit einem Atem, wie wir ihn sonst bei Homer und in der griechischen Tragödie finden. In diesem Sinne lässt sich das Werk "Die Legende der Festung Surami" auch dahingehend interpretieren, dass im Sinne der Tiefenpsychologie von C.G. Jung der Tod des eingemauerten Jünglings für die Wiedergeburt seines Selbst bzw. des ganzen Volkes steht.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Hinderk M. Emrich
Leiter der Abteilung Klinische Psychiatrie und Psychotherapie

Sergej Paradschanow (1924-1990) wurde als Sohn eines armenischen Kunst - und Antiquitätenhändlers in Tbilissi geboren. Nach dem Studium am Konservatorium in Tbilissi  ließ er sich am Moskauer Filminstitut WGIK zum Regisseur ausbilden. Anschließend arbeitete er im Filmstudio von Kiew und drehte 1968 seinen bekanntesten Film über den Dichter Sajatnowa  – im Westen unter Titel "Die Farbe des Granatapfels" bekannt. In seinem späten Meisterwerk,  "Die Legende der Festung Surami" (1985), zeigt sich Paradschanow als ein Wanderer zwischen verschiedenen Kulturen. Ähnlich wie bei Tarkowskij entwickeln sich Paradschanows Filmerzählungen in eigenwilliger Strukturierung durch Assoziationen, Stimmungen und Metaphern. Dem Film liegt eine georgische Legende zugrunde. Die Dreharbeiten fanden in der ostgeorgischen Halbwüste, in einer Landschaft des christlichen vorderen Orients statt. Das kulturelle Chaos, das in fast allen seinen Filmen vorkommt, war für die georgischen Nationalisten ein Feindbild, so dass  Paradschanow Ende der 80er heftig von georgischen Nationalisten angegriffen wurde. 1988 erhielt er, bereits von Krebs gezeichnet, auf dem Rotterdamer Filmfestival die Auszeichnung „Regisseur derZukunft“.




TENGIS ABULADSE

DIE REUE
MONANIEBA

Cannes 1987, Große Spezialpreis der Jury
UDSSR / 1984 (uraufgeführt 1987) / Farbe / 153 min

monanieba
© Georgian National Film Center


Ein allseits angesehener, betagter Herr wird mit großen Ehren bestattet. Schon am nächsten Tag wird der Leichnam aus dem Grab geholt und im Garten der Hinterbliebenen ausgestellt. Die Leichenschänderin wird vor Gericht gestellt, aber das Verfahren  wird zum Gericht über den alten Mann, zum Gericht über den Machtmissbrauch und zur Abrechnung mit der stalinistischen Diktatur. Der Film zeigt auch den Generationsbruch, als das Enkelkind die Wahrheit über den gutmütigen Großvater erfährt und keine Antwort vom Vater bekommt. Die etwas liberalere politische Lage noch vor der Perestroika in Georgien ermöglichte die Realisierung dieses Filmes. Dennoch hatte er drei lange Jahre große Probleme, auf die Leinwand zu kommen. Deutsche Erstaufführung im Oktober 1987 im ZDF.

Tengis Abuladse (1924 - 1994) studierte  am Theaterinstitut in Tbilissi. 1952 schloss er ein Regiestudium am Moskauer Filminstitut WGIK ab. 1953 begann er als Dokumentarfilmer bei den georgischen Filmstudios „Kartuli Filmi“  zu arbeiten. Sein erster Spielfilm "Magdanas Esel" (1956)zusammen mit Regisseur Rezo Tschcheidze, wurde als Beginn einer neuen Ära des georgischen Films geschätzt. 1968 drehte Abuladse den ersten Film seiner Trilogie -  "Das Gebet". Es folgten "Baum der Wünsche" (1977) und "Die Reue" (1984). Der Regisseur betrachtete diese drei Filme als eine Trilogie.



GIORGI SCHENGELAJA

DIE REISE DES JUNGEN KOMPONISTEN
AXALGASRDA KOMPOSITORIS MOGSAUROBA

Berlinale 1986, Silberner Bär für die beste Regie
UDSSR / 1984 / Farbe / 104 min

shengelaia
© Georgian National Film Center


Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein junger Mann fährt in die Dörfer Ostgeorgiens, um Volkslieder zu sammeln. Er wird gewarnt, dass jetzt keine Zeit sei für  das Interesse an Folklore. Er fährt dennoch. In der Provinz warten die Menschen auf ein Hoffnungszeichen aus der Hauptstadt. Sie hoffen, dass es noch irgendwo da draußen Widerstand gibt. Sie brauchen einen Führer, einen Messias. Sie denken, dass der Komponist in Wahrheit der Anführer des Widerstandes ist, der zur Hilfe aus dem Zentrum geschickt wurde. Sie machen ihn zum Führer und auch zum Martyrer. Obwohl die Filmemacher beteuern, dass die Handlung des Films 1907 nach der misslungenen Revolution spiele, wussten die Zuschauer doch, dass alles 1924, nach dem blutig niedergeschlagenen Aufstand gegen die sowjetische Besatzung, geschieht.

Giorgi Schengelaja wurde 1937, als Sohn der georgischen Filmdiva Nato Watschnadse und des Filmregisseurs Nikolos Schengelaja geboren. 1959 schloss er ein Regiestudium am Moskauer Filminstitut WGIK ab. 1955-1959 arbeitete er als Schauspieler am Filmsstudio in Tbilissi. Schon mit seinem ersten Kurzfilm "Alawerdoba" (1962) lenkte er große Aufmerksamkeit auf sich. Er ist Autor der in Georgien sehr populären Filme "Pirosmani" (1969) – ein Film über den georgischen naiven Maler Niko Pirosmani und des Musicals "Melodien des Weraviertels" (1973).