location georgien
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BIOGRAFIE

Irina Kurtishvili wurde 1966 in Tbilissi geboren. Sie wuchs dort in einer Architektenfamilie auf. Sie besuchte das College für Bildende Künste. Danach von 1983 bis 1989 studierte sie Malerei, Graphik und Filmdesign an der Kunstakademie Tbilissi. Ihre Zeichnungen aus dieser Zeit dienten  jungen georgischen Regisseuren als Vorlagen für ihre filmischen Geschichten. Aus dieser Zusammenarbeit gingen einige Kurzfilme hervor. Nach dem Studiumsabschluss arbeitete sie beim Filmstudio „Georgien Film“ als Szenenbildnerin. Anfang der 90er ging sie nach Wien, wo sie sich wegen politischer Unruhen in Georgien einige Monate niederließen musste. Die deutsche Botschaft in Tbilissi ermöglichte ihr 1992 eine Studienreise in die BRD. Von 1994 bis 1997 absolvierte sie das Postgraduiertenstudium der „Visuellen Kommunikation“ an der Kunsthochschule für Medien in Köln. Ihr Konzept für die „TV-Kultursendung für Kinder, wurde 1996 mit dem DAAD Kunstpreis für Ausländische Studierende ausgezeichnet. Ihr Engagement 1998, als Gastdozentin für „Kreatives Szenenbild“ an der neugegründeten Filmschule NRW in Köln (heute ifs), sicherte ihr die Aufenthaltserlaubnis für Deutschland. Seitdem ist sie als freischaffende Künstlerin im Bereich Szenenbild, Illustration und Design, unter anderem beim WDR, der Messe Frankfurt und der Oper Köln tätig. Es folgen diverse Spiel und TV -Filme. 2001 Gründung der Medea Film Produktion Service, mit dem Ziel, ein Netzwerk für unterschiedliche Projekte für die Region aufzubauen. Seit 2002 konzipiert und leitet sie das jährliche Projekt  „Tage des Deutschen Films in Tbilissi“, das eine feste Plattform in dem kulturellen Leben der georgischen Hauptstadt bildet. Von 2003 bis 2005 ist sie Gastdozentin an dem Institut für Medienwissenschaft Bochum. Von 2004 bis 2006 koordiniert sie den Bachelorstudiengang für Film- und Fernsehdesign an der Kunstakademie Tbilissi. Seit 2005 ist sie künstlerische Leiterin des Programms “Made in Germany“ im Rahmen des internationalen Filmfestivals Tbilissi. Von 2006 bis 2007 kuratierte sie das Projekt  „LOCATION:GEORGIEN – Krise und Perspektive eines Filmlandes“ (Fotoausstellung und Filmreihe) das in Köln, Berlin und Tbilissi gezeigt wurde.

Neben der Entwicklung interdisziplinären Projekte, ist sie heute als Künstlerin und Kuratorin tätig. Sie lebt und arbeitet in Köln und Tbilissi.

ERÖFFNUNGSREDE KÖLN eroeffungsrede cologne

Ich gehöre zu der Generation, die die Perestroika in jungen Jahren miterlebt hat und dann in den Westen gegangen ist, um ihre künstlerischen Visionen dort zu verwirklichen. Ich habe mir bewusst Zeit gelassen, mich mit dem Thema Heimat – das mir seit langem ein ganz persönliches Anliegen ist – auseinander zu setzen. Nach zwölf Jahren habe ich die notwendige Distanz, mich dem Thema zu stellenund durch Diskussionen und Analysen sowohl Archetypisches als auch kontroverse Vorstellungen über Georgien offen zu legen. Das Projekt Location:Georgien ist nicht in erster Linie der Versuch, Georgien als Filmland vorzustellen; vielmehr möchte ich mit dieser Fotoausstellung und der dazugehörigen Filmreihe eine andere Sicht auf mein Land zeigen.
Die Rezeption Georgiens in der Welt hat sich ganz unterschiedlich entwickelt. Noch vor 20 Jahren war das Land an der Grenze zwischen Europa und Asien international wenig bekannt. Auch in Deutschland und Mitteleuropa wusste man lange Zeit wenig über Georgien, weil es außerhalb der geopolitischen Interessenslage der zentraleuropäischen Mächte lag. Demgegenüber haben wir uns als Georgier immer zu Mitteleuropa hingezogen und als Europäer gefühlt.
Das Projekt Location:Georgien ist in enger Zusammenarbeit mit deutschen Filmschaffenden, Künstlern und Journalisten entstanden, die eine Vielzahl von Projekten in Georgien realisiert haben und zu diesem Anlass auch Eindrücke sowie ihre Gefühle zu dem Land beschrieben haben. Die Ausstellung ist gekennzeichnet durch zahlreiche Kooperationen und kulturelle Querverbindungen mit Georgien, die sich in den letzten zehn Jahren ergeben haben. Einige Fotografien sind bereits veröffentlicht worden, ein großer Teil der Beiträge wurde aber speziell für diese Ausstellung entwickelt und zusammengestellt und ist erstmals öffentlich zu sehen. Ich freue mich, diese Arbeiten zuerst in Deutschland, in Köln und Berlin, und später in Georgien, in Tbilissi, vorzustellen.
Das heutige Georgien, einst wichtiger sowjetischer Filmproduzent, steht exemplarisch für das Schicksal vieler kleiner postkommunistischer Länder. Es handelt sich hier um ein Land mit einer intakten eigenständigen Kultur. Während feindliche Invasoren, Kriege und selbst die sowjetische Besatzung dieser Kultur nichts anhaben konnten, scheint sich heute, durch den Anschluss an den Kapitalismus, deren Untergang abzuzeichnen.
Das plötzliche Aus für die georgische Filmindustrie kam mit dem Zusammenbruch der UdSSR und der Unabhängigkeit Georgiens 1991. Trotz einer kulturellen Lücke in den 90er Jahren wurden einige wenige europäische Filmprojekte mit dem Schauplatz Georgien realisiert. Ich möchte diese Filme zusammen mit den neuesten in Georgien gedrehten deutschen Produktionen sowie Kultfilme aus den 80er Jahren einem breiten Publikum vorstellen. Die Filmreihe Location:Georgien vermittelt einen umfassenden und vielschichtigen Blick auf das Land: vom Mittelalter über die Zeiten der Sowjetunion bis in die Gegenwart. Eine Reihe mit diesem inhaltlichen Schwerpunkt zu Georgien wird erstmals in Deutschland gezeigt.
Ich danke der Stadt Köln, die das Projekt gefördert und dem WDR, der mich von Anfang an engagiert unterstützt hat. Mein Dank gilt auch den Filmemachern, Künstlern und Journalisten, die ihre Fotoarbeiten beigesteuert haben. Herzlichen Dank an Erich Witschke für die Möglichkeit, die Ausstellung Location:Georgien in der Trinitatiskirche in Köln beginnen zu lassen. Danken möchte ich auch der Kunsthochschule für Medien Köln und der ifs internationale filmschule köln, die zum Gelingen des Projekts beitrugen, sowie der SK Stiftung Kultur, dem Stiftungsrat und besonders Dr. Hans-Georg Bögner für die Unterstützung der Präsentation der Filmreihe Location:Georgien im Filmforum NRW im Museum Ludwig. Ganz besonders herzlich danke ich meinen georgischen Freunden und den Vielen, die an dem Projekt mitgewirkt haben. Und jetzt Film ab.

Irina Kurtishvili

 

ERÖFFNUNGSREDE BERLIN
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© Erik-Jan Ouwerkerk

Ich wurde oft gefragt - Worum geht es in dieser Ausstellung?

Ein klare, einfache Antwort von mir wäre: es geht um mein Land und dessen Rezeption. Ganz am Anfang meiner Arbeit kam mir immer wieder die Frage, wie wir, die Georgier unser Land sehen oder uns wünschen es zu sehen und wie unser Land von anderen wahrgenommen wird. In dieser Ausstellung geht es um Georgien als Ort, um LOCATION, in Verbindung mit einer bestimmten Zeit, die Zeit der Jahrtausenwende. Ich wollte diesen Zeit-Raum durch die Ausstellung fixieren, versiegeln...
Die Versiegelte Zeit –„Запечатлённое Время“ wie Andrei Tarkowskji sein Buch genannt hat. In seinem Buch spricht Tarkowskji über Apokalypsis, über die geheimen Zeiträume, über Verdrängtes, wie es auch in sowjetischen Zeiten war...
Es geht in dieser Ausstellung um Orte eines Landes, das selbst als Zwischenort zu betrachten ist: Georgien mit seiner geopolitischen Lage zwischen Asien und Europa, das noch vor 20 Jahren wenig bekannt war. Es geht um Georgien als Land im Schnittpunkt unterschiedlicher politischer Systeme und Ideologien, an der Kreuzung zur westlichen Welt. Es geht  um das Volk das sich immer zu Mitteleuropa hingezogen und als europäisch gefühlt hat. Es geht hier auch um die Grenzen: (Autonomie) und die Grenzenlosigkeit: (also Globalisierung). Einige Themen möchte ich Ihnen mit meiner Rede erläutern:
Abchasien, ein autonomes Gebiet des Landes, das für uns Georgier unzugänglich geworden ist. Eine Sperr-Zone für uns seit dem 30. Sept. 1993. Es sind 2 Fotoaufnahmen, 2 fast identische Einstellungen, die Grenze zu Abchasien - eine Brücke an dem Inguri Fluß zeigen. Ein Ort wie eine Filmkulisse, der sich seit fast 15 Jahren kaum verändert hat. Ab 2000, nachdem die Situation etwas ruhiger geworden ist, kamen die Deutschen. Sie waren nicht risikoscheu und filmten und fotografierten diese Grenze, aber auch die Bilder vom alltäglichen Leben dort.
Strände am Schwarzen Meer. „Wohin sind die menschendichten georgische Strände verschwunden?“ Fragte mich eine russische Kuratorin  im Museum Ludwig als dort der Film „Am Rande der Zeit - Männerwelten im Kaukasus“  gezeigt wurde. Und dann, berührt von der Trostlosigkeit des Ortes: „Spielt die Szene eigentlich am Schwarzen Meer?“ Tatsächlich, spielt die Filmsequenz in einer Location am schwarzen Meer, im ehemaligen sowjetischen Kurort Zichisziri. In dessen dekadenten Bauten wurde ein Blindenheim, untergebracht.
Es geht hier um die Bilder, um atemberaubende Landschaften vom Kaukasus; die bereits Puschkin und Lermontow beschrieben haben:
Zitat Lermontow: „Es gibt einen Berg, der in die Wolken stößt und den kein Gefährt erreicht. Der Kasbeg, der König des Kaukasus, hüllt einsam sich in sein Purpurkleid.“ Die Aufnahmen der Alten Militärstraße zeigen Bilder, mit denen wir Georgier unser eigenes Land gerne identifizieren: paradiesisch. Nach einer alten Legende: „Als Gott die Welt erschuf, stolperte er plötzlich über den großen Kaukasus, und all seine Schätze fielen hinunter. An jenem Ort entstand Georgien“
Es geht  in dieser Ausstellung um Orte, die vor Jahrhunderten entstanden sind, wie  z.B.  das kaukasische Bergdorf Uschguli in Swanetien. Gezeigt ist die Friedlichkeit  eines Ortes, der noch vor kurzem das ganze Gegenteil war:  Menschenentführungen, und Morde ruhen unter dem Schnee, der das Uschguli bedeckt. Es ist das höchste Dorf Europas, 2400m ü.d.M., entstanden im Mittelalter. Noch nie habe ich die Farbe Weiß in einem so starken Gegensatz gesehen. Bei der Betrachtung dieser Bilder will man an Kislowsky’s Trilogie und die Wahrnehmung der weißen Farbe denken.

Vom Land in die Stadt:

Die Stadt Tbilissi und Archetypen der Jahrhundertwende:

Tbilissi (Tiflis) in der Zeit zwischen 1996-2006. Zitat Lasha Bakradse: „Ein Stadt, die über Jahrhunderte hinweg die ungewöhnliche Fähigkeit entwickelt hat alle und alles, aufzunehmen und zu absorbieren und dabei doch unverwechselbar zu bleiben“. Ein Stadt, die sich heute in einer Zeit von Rekonstruktion und Renovierung befindet. Eine Stadt mitten im Bauwahn. Gezeigt werden Orte und Bauten, die umgebaut und abgerissen sind. Mit dem Verschwinden der Architektur, verschwindet auch Geschichte und Identität der Menschen. Vor kurzem verschwand vor meinen Augen ein Denkmal, das die Tbilisser, "Andropows Ohren" nannten, und das für meine Generation - die Generation der 80er Jahre, der letzte authentische Ort der Erinnerung an die Sowjetzeiten war. Das Monument wurde speziell für „Paraden“ errichtet. Von Beginn an war der Bau Gegenstand kontroverser Diskussionen. Der ganze Platz, so wie er heute ist, zeigt einen wichtigen Abschnitt unserer Geschichte, der nun unsichtbar gemacht und überklebt werden soll.
Zurück in die Geschichte: Es gab Zeiten, in denen die ganze Stadt sich in einen einzigen großen Marktplatz verwandelt hat. Plötzlich verschwand Tbilissi - und sein Stadtbild. Die Stadt quoll über mit Flüchtlingen und Bettlern. Es wurde alles verkauft um zu überleben. Diese Zeit ist in dem Film „Tbilisi; Tbilisi“ von dem georgischen Regisseur Levan Zakareishvili dokumentiert. Gezeigt werden Lebensorte von Menschen, die auf individuelle Weise angeeignet und gestaltet wurden. Orte der Menschen, die im eigenen Land Flüchtlinge geworden sind und einen Lebensabschnitt von mehr als 10 Jahren in  Hotels, u. a. im Hotel Iveria unter schwierigsten Verhältnissen gelebt haben. Es sind Orte, die den Familien das tägliche Geld fürs Überleben brachten. Orte wo gelegentlich Arbeitsplätze geschaffen wurden: in Kasinos, in Restaurants und im Straßenverkauf... Es haben sogar einige Universitätsprofessoren eigene Buden eingerichtet, in denen sie ihren Besitz wie Bücher und Familienantiquitäten verkauften.
Sie sehen eine Frau mit Kinderwagen voller Bananen und einen Jungen mit Gewehr. Sind das die heutigen Bilder von georgischen Frauen, die einst von Schriftstellern und Reisenden zu den  schönsten und tapfersten im Kaukasus gezählt wurden? Auch unsere Gastfreundschaft, ist durch eine Frauenfigur - Mutter Georgien-  symbolisiert. Sie erhebt sich stolz über die Stadt, in der einen Hand trägt sie eine Weinschale, in der anderen - ein Schwert. So trifft sie auf ihre Gäste. Weitere ikonografische Bilder dieser Zeit sind orthodoxe Kerzen, Plattenbauten, riesige Klimaanlagen, wie auch eine kleine Metalldose mit der Aufschrift USA, die einem Kaktus als Pflanzentopf dient. Und die für uns typischen riesigen Torten in  den Schaufenstern der Konditoreien. Diese Torten tauchen gleich in der Anfangssequenz von dem Film "Die Reue", R: Tengis Abuladse, auf. Der Film wird am Samstag im Kino Arsenal  gezeigt. Er schildert die Grausamkeiten der stalinistischen Herrschaft.
So komme ich zu dem Thema Stalin. Stalins Geburthaus in Gori - eine touristische Attraktion. Und für viele Einheimische ein Überlebensort. Es stellen sich die Fragen: Wird der Gebäudekomplex weiter als Machtsymbol bestehen oder wird er als ein Ort des Nachdenkens gestaltet? Löst sich irgendwann bei uns der Kult von Stalin auf?

Das ist das Bild Georgiens zu Beginn des 21. Jahrhundert. Ein Bildarchiv der letzten 10 Jahre. Ich fühle große Verbundenheit zu diesen Bildern und möchte trotz allem an die alte Legende glauben, in der Gott stolperte und all seine Schätze auf dieses Land fielen.

DANKSAGUNG:

- Ganz herzlichen Dank an den Freundeskreis Willy –Brandt-Haus und speziell an Frau Gisela Kayser für die Möglichkeit hier im Willy –Brandt-Haus  ausstellen zu können.
- Mein Dank gilt auch den Filmemachern, Künstlern und Journalisten, die ihre Fotoarbeiten beigesteuert haben.
- Danken möchte ich auch Kunsthochschule Medien Köln, wo ein Großteil der Exponate fertiggestellt wurde.
- Danke an Familie Gregor, die sich für den georgischen Film engagiert, speziell an Herrn Ulrich Gregor für die wunderbaren Text der Broschüre und an Frau Milena
Gregor, für die Vorführung der georgischen Kultfilme im Kino Arsenal.
- Herzlichen Dank meinen Freunden und Kollegen, die neben mir standen.
- Anschließend Danke ich der Stadt Berlin, die mir viele unerwartete  und positive Momente bereitet hat.

Irina Kurtishvili